Deutschland ist laut dem „Stockholm International Peace Research Institute“ SIPRI nach den USA und Russland weltweit der drittgrößte Waffenexporteur. Die Türkei ist dabei mit 14% der größte Waffenabnehmer deutscher Rüstungsgüter, dicht gefolgt von Griechenland mit 13%.
Dabei findet sich in dem erst kürzlich erschienen Rüstungsexportbericht für das Jahr 2008 der Bundesregierung der Leitlinienkatalog, der die Genehmigungsvoraussetzungen deutscher Rüstungsexporte benennt. So heißt es in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahre 2000:
Die Beachtung der Menschenrechte ist für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung, unabhängig davon, um welches mögliche Empfängerland es sich handelt. So werden Rüstungsexporte grundsätzlich nicht genehmigt, wenn ‘hinreichender Verdacht’ besteht, dass das betreffende Rüstungsgut zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht wird. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.
In einer aktuellen kleine Anfrage von DIE LINKE vom Juni 2010 wurde die Bundesregierung gefragt, wie sie das Risiko beurteile, dass aus Deutschland gelieferte Rüstungsgüter bei Militäroperationen gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt werde.
In der Antwort heißt es, dass alle Ausfuhrgenehmigungen im Einzelfall anhand der Kriterien 2 (Menschenrechte), 3 (Innere Lage) und 4 (Regionale Lage) gerprüft werden. Des weiteren verweisen sie in ihrem Antwortschreiben darauf, dass die EU 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufgenommen habe, da die EU-Kommission die politischen Kopenhagener Kriterien (insbesondere Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten) als hinreichend erfüllt sahen.
Dementsprechend wurde zuletzt im Jahre 2000 ein Rüstungsexportantrag aufgrund Kriterium Nr. 2 (Menschenrechte) nicht genehmigt.
In der Türkei kommt es täglich zu Menschenrechtsverletzungen, insbesondere in den Kurdischen Gebieten. Dokumentiert wird dies durch Menschenrechtsvereine wie dem IHD (Menschenrechtsverein in der Türkei), Amnesty International oder dem UNHCR. In den Jahren seit 2007 wird auch in anderen Medien von eingeschränkter Meinungsfreiheit, unfairen Gerichtsverfahren aber auch von Folter, der Niederbrennung von Dörfern und Wäldern und extralegalen Hinrichtungen berichtet.
Das Österreichische Rote Kreuz schreibt in einem Bericht vom Juni 2009:
Die in London ansässige NGO Kurdish Human Rights Project (KHRP) hält in einem auf einer Fact-Finding-Mission basierenden Bericht vom Juni 2008 fest, dass viele Menschen entgegen der offiziellen Meinung, derzufolge keine bedeutsamen Änderungen im Alltagsleben der Bevölkerung zu erkennen seien, der Ansicht seien, dass die Heftigkeit des Konflikts schrittweise wieder das Level der 1990er-Jahre erreiche.
(vgl. KHRP, Juni 2008, S. 13)
Darüber hinaus kommt es in der Türkei täglich zu militärischen Operationen und seit Frühjahrsbeginn auch im irakischen Grenzgebiet. Die Operationen richten sich gegen die Guerilla der PKK, sowie gegen Demonstrant_innen, kurdische Politiker_innen und die Bevölkerung in den Dörfern und Städten und an den zahlreichen Straßenkontrollpunkten.
Der Einsatz von deutschen Waffen bei diesen Operationen wird seit den 1990er Jahren immer wieder von Menschenrechtsdelegationen beobachtet. Erst im März 2010 sichteten Teilnehmer_innen einer Delegation in der Region um Sirnak Leopard und BTR Panzer. Zeitgleich versprach Kanzlerin Merkel der Türkei 56 weitere dieser Exemplare.
Die Bundesregierung weist in ihrem aktuellsten Rüstungsexportbericht nochmals gesondert darauf hin, dass insbesondere Kleinwaffen und leichte Waffen (z.B. Maschinenpistolen, Sturmgewehre, leichte Mörser u. ä.) und die dazugehörige Munition in internen und grenzüberschreitenden Konflikten die weitaus meisten Opfer verursache. Die türkische Firma MKEK produziert seit langem in Lizenz deutsche Maschinengewehre und andere Kleinwaffen der Firma Heckler & Koch. Aber auch ganz aktuell, wie es in den Berichten der Jahre 2006-2008 nachzulesen ist, genehmigte die Bundesregierung den Export von Handfeuerwaffen oder entsprechende Teile dafür.
Insgesamt weist der Bericht von 2008 Exporte in die Türkei in fast allen lieferbaren Kategorien auf: ‘Munition’, ‘Bomben, Torpedos, Flugkörper’, ‘militärische Ketten- und Radfahrzeuge’, ‘ABC – Schutzausrüstung, Reizstoffe („Tränengas“)’, ‘Explosivstoffe und Brennstoffe’, ‘Kriegsschiffe’, ‘militärische Luftfahrzeuge/-technik, Elektronik und Software’.
Mit Waffen und Krieg lässt sich viel Geld verdienen. In den Jahren 2006 bis 2008 wurden Ausfuhrgenehmigungen in die Türkei in Höhe von 500 Mio Euro erteilt. Insgesamt wurden von Deutschland aus allein 2008 Rüstungsgüter im Wert von 43.693.111 Milliarden Euro umgesetzt.
Zur Übersicht findet sich im Folgenden eine Auswahl deutscher Waffensysteme in den Beständen der türkischen Streitkräfte. Dabei handelt es sich um Güter aus deutscher Produktion, aus den Beständen der Bundeswehr (wobei es sich dabei nicht immer um Rüstungsgüter aus deutscher Produktion handelt) und deutsche Rüstungsgüter, die in Lizenz in der Türkei produziert werden.
1. Kriegswaffen aus deutscher Produktion oder der Produktion europäischer Unternehmen in Deutschland
- aktuell: G3, HK33 Gewehre und MP5-Maschinenpistolen von Heckler & Koch, in Lizenz bei MKEK in der Türkei gebaut
- aktuell: MG 3 Maschinengewehr von Rheinmetall (aktuell in Lizenz von MKEK in der Türkei produziert)
- 2006 exportiert und 1964–1973 in Lizenz in der Türkei gebaut: Cobra-Panzerabwehrrakete von MBB (Deutschland) entwickelt. MBB gehört mittlerweile zu EADS
- 2000–2003 in Lizenz in der Türkei hergestellt: Eurocopter „Cougar“– die militärische Variante des Transporthubschraubers Aérospatiale AS 332, Hersteller u.a. die Eurocopter Group, Tochter von EADS
- 1998–2001 geliefert: ERYX Panzerabwehrrakete von MBDA (heute Teil von EADS)
- 1981–1990 in Lizenz: U-Boote Typ 209/1200, HDW
- 1994/95, 1998/99 und 2005–2007 in Lizenz: U-Boote Typ 209/1400: in Deutschland von der Kieler Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW) (größte deutsche Werft, fusionierte 2005 mit den ThyssenKrupp-Werften) produziert
- 1987–89, 1995/96, 1998–2000 in Lizenz gebaut in der Türkei und Lieferung: MEKO-200 Kriegsschiff von ThyssenKrupp
- 2005–2009 in Lizenz: Frankenthal/Type-332, Minenjagdboot in Deutschland von der Abeking & Rasmussen Werft und der Lürssenwerft
- 1969 und 1991 geliefert: Transall C-160: militärisches Transportflugzeug produziert durch die deutsch-französische Arbeitsgemeinschaft TRANSALL (Transporter Allianz). Die damals produzierenden Firmen sind aufgegangen in der EADS, Triebwerke und die Luftschrauben der Transall wurden u.a. von Rolls Royce produziert.
- 1975 und 1981–85 geliefert: Panzerabwehrlenkwaffe MILAN von MBDA (heute Teil von EADS)
- s Gerät, von Daimler Benz (heute Daimler AG), teils in Lizenz in der Türkei hergestellt
2. Kriegswaffen aus den Beständen der Bundeswehr bzw. der NVA (aus deutscher und nicht-deutscher Produktion)
a) aus deutscher Produktion
- Leopard 1 (geliefert 1982–84 und 1993) und Leopard 2 Panzer (geliefert 2006–2009) aus der Produktion von Krauss-Maffei (heute: Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co KG) und Rheinmetall. Im März 2010 wurden der Türkei von Bundeskanzlerin Merkel weitere 56 Panzer dieses Typs versprochen.
- (geliefert 2006) Artillerieortungsradar COBRA entwickelt u.a. von EADS und Lockheed Martin
b) aus nicht-deutscher Produktion
- BTR-60 und BTR-80 Schützenpanzerwagen aus sowjetischer Produktion Anfang der 1990er Jahre aus den Beständen der NVA (Nationale Volksarmee, DDR) an die Türkei verschenkt
- (1994 geliefert) M110 Artillerie-Geschütz (USA) u.a. aus den Beständen der Bundeswehr in die Türkei geliefert
- F-4 Phantom Kampfflugzeug (USA), 1992–1994 geliefert an die Türkei u.a. aus den Beständen der Bundeswehr
3. Ausländische Rüstungskonzerne mit Sitz im Regierungsviertel in Berlin
- Lockheed Martin
- 2006 in Lizenz F-35 „Joint Strike Fighter“ (JSF) Kampfflugzeug
- 2000–2004 AGM-114 Hellfire – Luft-Boden-Rakete
- 1987–1999 in Lizenz produziert in der Türkei: F-16 Fighting Falcon- Mehrzweckkampfjet der US-amerikanischen Firma General Dynamics, deren Militärflugzeugsparte mittlerweile zu Lockheed Martin gehört
- u.a. 1991–92 in Lizenz: Lockheed C-130 Hercules militärisches Transportflugzeug
Glossar Rüstungsfirmen:
Daimler AG: – deutsches Unternehmen mit Sitz in Stuttgart und am Potsdamer Platz in der Alten Potsdamer Straße 5
EADS: – ist ein europaweit agierender Konzern mit Sitz u.a. in Deutschland (Ottobrunn in Bayern und in Berlin am Potsdamer Platz 1 und Alte Potsdamer Str. 5)
Eurocopter Group: – Tochter von EADS in Berlin Reinickendorf
HDW: – Howaldtswerke Deutsche Werft in Kiel, Teil der ThyssenKrupp Marine Systems AG, und mit Sitz im Regierungsviertel in der Friedrichstr. 60
Heckler & Koch: – deutsches Unternehmen in Oberndorf
Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co KG: – deutsches Unternehmen mit Sitz in München und einer Vertretung im Berliner Regierungsviertel direkt am Reichstag am Pariser Platz 6a
Lockheed Martin: – US-amerikanische Konzern mit einem Sitz am Pariser Platz 3
MBDA: – europäisches Unternehmen mit Standorten u.a. in Deutschland (u.a. in Ulm), deren Anteilseigner mit dem größten Teil von 37,5 % EADS ist
Rheinmetall: – deutsches Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf und einer Vertretung am Potsdamer Platz in der Mohrenstrasse 42 und Vosstraße 22
Rolls-Royce: – Unternehmen aus UK mit einer Vertretung in der Jägerstrasse 49 in der Nähe vom Brandenburger Tor
ThyssenKrupp: – deutsches Unternehmen mit Sitz in Essen und im Berliner Regierungsviertel in Friedrichstrasse 60
Quellen:
- Kleine Anfrage zu Rüstungsexporten in die Türkei (Juni 2010) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/022/1702207.pdf
- Offizielle Seite der Türkischen Regierung www.ssm.gov.tr
(Infos zu Rüstungsgütern, zu finden unter english und projects) www.mkek.gov.tr/main.aspx - SIPRI www.sipri.org/
- Rüstungsexportberichte der Bundesregierung 2006-2008 www.bmwi.de
Interessante Seiten im Netz:
Liste der Waffensysteme der Türkischen Streitkräfte (wikipedia)
Ausbildungszentrum Spezielle Operationen (wikipedia)
Wie geschmiert | Rüstungsproduktion und Waffenhandel in Hamburg
Grafik der Militärkooperationen BRD – Türkei