Seit dem 8. September tourte ein Bus mit der Aufschrift „Freedom for Öcalan” durch Europa und machte in 60 verschiedenen Städten Halt. Beendet wurde die Aktionstour am 24.11. mit einer Grossveranstaltung in Düsseldorf, auf der auch die Kampagne TATORT Kurdistan ihre Solidarität zum Ausdruck brachte:
Hevalên bi rûmet û dostên hêja !
Hûn hemî bi xêr hatin. Ez li vir we bi dil û can silav dikim.
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Kampagne TATORT KURDISTAN wurde vor 3 Jahren gegründet, um über die Beteiligung Deutschlands am schmutzigen Krieg in Kurdistan zu informieren und dagegen zu mobilisieren.
Ein Schwerpunkt sind die Proteste gegen deutsche Rüstungslieferungen an die Türkei.
Unzählige Waffenexporte, die Beteiligung deutscher Unternehmen an Energiegroßprojekten in kurdischen Gebieten und die deutsche Unterstützung des türkischen Militärs, zum Beispiel durch die Ausbildung von „Anti-Terror-Einheiten“, lassen die deutsche Regierung und deutsche Konzerne von diesem Krieg profitieren und machen sie mitschuldig.
Kontinuierlich werden Leopard 2 Panzer an den NATO-Partner geliefert und das Sturmgewehr G3 der Firma Heckler &Koch in Lizenz nachgebaut.
Und nun sollen deutsche PATRIOT-Flugabwehrraketen und 170 deutsche Soldaten an der türkisch-syrischen Grenze stationiert werden – angeblich zum Schutz der Türkei.
Doch sagen wir ganz klar: Die Türkei ist in diesem Konflikt nicht Opfer, sondern Täterin.
Die Ausbildung, Aufrüstung und logistische Unterstützung der sogenannten Freien Syrischen Armee erfolgt in türkischen Ausbildungslagern, zu denen weder Öffentlichkeit noch Presse Zugang haben.
Während die Bundesregierung der Bevölkerung weis machen will, die Stationierung der PATRIOT-Raketen habe rein defensiven Charakter, geht es in Wirklichkeit um die Errichtung einer Flugverbotszone auf syrischem Gebiet.
Es geht der Türkei darum, die Selbstverwaltungsstrukturen in Westkurdistan im Keim zu ersticken.
Und das soll mit der deutschen Raketenabwehr abgesichert werden.
DIE KURDISCHEN GEBIETE
Als Kampagne TATORT KURDISTAN begrüßen wir die positive Entwicklung in den kurdischen Gebieten in Syrien.
In vielen Städten Westkurdistans hat die Bevölkerung gewaltlos die staatlichen Institutionen besetzt und die Kontrolle übernommen. Die Partei der Demokratischen Einheit (PYD) hat in hohem Maße Verantwortung bewiesen, um zumindest im kurdischen Teil Syriens ein Blutvergießen zu verhindern.
Und sie hat damit begonnen, das Modell der demokratischen Autonomie umzusetzen.
Wir verurteilen die Versuche des türkischen Staates, Westkurdistan durch Terroreinheiten der FSA wie zuletzt in Serêkani zu destabilisieren.
Wir fordern die deutschen Medien auf, über die Entwicklung in Syrien objektiv zu berichten und gezielte Falschmeldungen, wie etwa, die kurdische Bewegung stehe an der Seite des Assad-Regimes, zu unterlassen.
MENSCHENRECHTE MIT ZWEIERLEI MAß
Während Bundeskanzlerin Merkel bei ihrem Russland-Besuch vor kurzem Menschenrechtsdefizite medienwirksam ansprach, war beim Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogans Ende Oktober in Berlin nichts zu hören:
Kein Wort zu den 8.000 politischen Gefangenen, die in der Türkei im Rahmen der KCK-Verfahren und Antiterrorgesetze in türkischen Gefängnissen sitzen.
Kein Wort zu den 700 Gefangenen, die zu diesem Zeitpunkt im Hungerstreik waren.
Wie kann sich die Türkei als Demokratie bezeichnen, wenn ParlamentarierInnen der Partei für Demokratie und Freiheit, BDP, kritische JournalistInnen, RechtsanwältInnen, Studierende und MenschenrechtsaktivistInnen im Gefängnis sitzen?
Diesen Skandal hat die Kampagne „Demokratie hinter Gittern“ in die deutsche Öffentlichkeit gebracht. Doch nach wie vor verschließen die verantwortlichen PolitikerInnen ihre Augen, um dem NATO-Partner Türkei nicht auf die Füße zu treten.
Gerade deutsche PolitikerInnen, die immer wieder gefordert haben, die KurdInnen sollten aus den Bergen kommen und ihre Interessen politisch vertreten, schweigen dazu, dass dieser Weg durch die KCK-Verfahren versperrt ist.
KRIMINALISIERUNG DER KURDEN IN DER BRD
Ganz schnell aktiv allerdings werden diese Politiker aber, wenn es darum geht, die Kriminalisierung kurdischer AktivistInnen in Deutschland auf Betreiben der Türkei zu verschärfen.
Kaum hatte der türkische Ministerpräsident Erdogan die Bundesrepublik nach seinem letzten Besuch verlassen und wie immer bei solchen Anlässen eine engere Zusammenarbeit im Kampf gegen die PKK vereinbart , kam auch schon die Umsetzung.
Am 1. November lieferte die Schweiz den Genossen Metin A. auf Antrag der deutschen Bundesanwaltschaft an die Bundesrepublik aus. Und das, obwohl er sich durch einen über 50 Tage andauernden Hungerstreik in einem kritischen Gesundheitszustand befand.
Und das, obwohl über seinen Asylantrag, den er in Haft gestellt hatte, noch nicht entschieden war.
Man hatte ihm gesagt, er werde in ein anderes Krankenhaus in der Schweiz verlegt.
In Wirklichkeit hat man ihn – an den Füßen gefesselt – den deutschen Behörden übergeben und direkt ins Haftkrankenhaus der JVA Stuttgart-Stammheim gefahren.
Rechtes und linkes Auge
Während Nazis des „Nationalistischen Untergrunds“ (NSU) 10 Jahre unbehelligt und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes mordend durch Deutschland ziehen konnten, können sich politisch aktive KurdInnen auf die Aufmerksamkeit der deutschen Sicherheitsbehörden verlassen: Bespitzelungen, Razzien, Verhaftungen und gewaltsame Übergriffe bei Demonstrationen gehören seit Jahren zum Alltag. Hier würden die Behörden – im Gegensatz zu den Neonazis – nie auch nur ein einziges Dokument vernichten.
Verfolgung nach § 129b
Seit 2 Jahren werden KurdInnen in Deutschland auch nach §129b als Mitglieder einer terroristischen Organisation im Ausland angeklagt.
Wie bei diesen und den weit über einhundert vorhergehenden Prozesse werden die politischen Hintergründe in Kurdistan weitgehend ausgeblendet.
Sogenannte Experten des BKA, die als Zeugen geladen werden, geben sogar offen zu, dass sie davon keine Ahnung haben und dass sie das nicht interessiert.
Wie bei den KCK-Verfahren in der Türkei geht es auch bei den deutschen §129b-Verfahren nicht darum, den Angeklagten konkrete Straftaten nachzuweisen.
Wie in der Türkei, wird auch in Deutschland der ungelöste türkisch-kurdische Konflikt als „Terrorismus“ diffamiert.
Hintergrund dieser Repression ist das seit 1993 bestehende PKK-Verbot, das sich übermorgen, am 26. November, zum neunzehnten Mal jährt.
Unabhängig von allen ideologischen und praktischen Veränderungen der kurdischen Bewegung stellt sich die Bundesrepublik an die Seite der Türkei.
Die Folgen sind im mildesten Fall unsinnige Auflagen bei Demonstrationen: wie viele Fahnen mit dem Bild von Abdullah Öcalan mitgeführt werden dürfen und welche Hemdfarben er dabei trägt.
Schwerwiegendere Folgen sind die Schikanen, denen die KurdInnen hier im Alltag ausgesetzt sind. Da kann schon der Besuch kurdischer Vereine ausreichen, um Personen Aufenthaltsverlängerungen zu verwehren oder Einbürgerungen zu verweigern.
Deshalb bleibt die zentrale Forderung von TATORT KURDISTAN und AZADÎ: Das PKK-Verbot in Deutschland muss aufgehoben werden. Es ist die Ursache für fast alle Probleme, die Kurdinnen und Kurden hier haben.
Weiter fordern wir:
Stopp von Waffenlieferungen an die Türkei!
Schluss mit der Aufstandsbekämpfung gegen die kurdische Bevölkerung!
Einstellung aller KCK-Verfahren und Freilassung der Betroffenen!
Aufnahme von Friedensgesprächen mit Abdullah Öcalan – gerade jetzt nach dem Hungerstreik!
Schluss mit der Strafverfolgung gegen die kurdische Opposition in Deutschland!
Schluss mit der Aufrüstung der Kriegsparteien und der Kriegstreiberei in Syrien!
Kampagne Tatort Kurdistan/Azadî
24.11.2012, Düsseldorf
Redebeitrag [pdf]