Mittwoch
11.09.2013
18:30 Uhr,
[ab 18 Uhr Essen]
Centro Sociale
Sternstr. 2
[gegenüber U3 “Feldstraße”]
Es begann mit Protesten der syrischen Bevölkerung gegen die Regierung von Baschar al Assad, vor allem wegen ökonomischer Fragen: seit Jahren gestaltete die Regierung – in guter Kooperation mit der türkischen AKP-Regierung – die Ökonomie neoliberal um, durch Deregulierung, Privatisierung und Öffnung der Märkte nach außen entstanden soziale Spannungen im Land.
Die Proteste wurden durch Geheimdienst und Armee schnell unterdrückt, aber international aufgegriffen und verbreitet. Der Aufschrei dagegen war ungleich stärker und anhaltender als z.B. gegen die Niederschlagung ähnlicher Proteste in Bahrein, wo sogar das Militär des saudi-arabischen Nachbarn einmarschierte. Es riecht nach Lunte.
Mittlerweile tummeln sich alle weltpolitischen und lokalen Akteure in diesem Konflikt: Die NATO/USA drohen mit Kampfeinsätzen aus fadenscheinigen Gründen: denn Gitgas wurde auch wiederholt und nachgewiesen vom NATO-Partner Türkei gegen die kurdische PKK eingesetzt. Das scheinbar fehlende Zukunfts-Szenario für Syrien verhindert diese Schritte bis jetzt. Gesprochen wird von “kurzen Schlägen”.
Die auf Islamisierung der Gesellschaft setzende türkische Regierung unterstützt die islamistischen Kämpfer der “Freien Syrischen Armee” FSA bis hin zu Al Quaida-nahen Gruppen. Ebenso die lokalen Diktaturen in Saudi-Arabien und Quatar, die sie weiterhin mit Waffen ausrüsten und finanzieren. Seit Wochen kommt es durch diese Kämpfer zu Massakern unter der Zivilbevölkerung im Norden des Landes.
Auf der anderen Seite befürchtet der Iran ein Übergreifen auf Libanon und sein eigenes Territorium – und stützt weiter das Baath-Regime. Israel bombardiert daraufhin Ziele in Syrien, um ein Erstarken der Hisbollah zu verhindern. Die russische Regierung fürchtet um den Verlust ihres letzten Marine-Stützpunktes im Mittelmeer, in Syrien.
Die ursprünglichen Belange der syrischen Bevölkerung scheinen dabei längst aus der Sicht gekommen, Interessen von außen treiben den Konflikt vor sich her.
Doch es geht auch anders:
Wie eine Alternative aus diesem Dilemma, ein “dritter Weg”, aussehen kann, macht uns gegenwärtig die Bevölkerung von Rojava im Nordosten Syriens (Westkurdistan) vor.
Auf Basis der Ideen der kurdischen Freiheitsbewegung organisiert sich die Bevölkerung in den Städten, die sie vom Baath-Regime befreit haben, in basisdemokratischen Rätestrukturen und verwaltet sich selbst.
Die gesellschaftliche Befreiung funktioniert nicht durch die Machtergreifung im Staat oder den Aufbaus eines neuen Staates – sie wird in einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft über jegliche religiösen und ethnischen Identitäten hinweg gesehen.
Die Befreiung der Frau aus den patriarchalen Strukturen ist dabei ein zentrales Element. Frauen in Westkurdistan organisieren sich deshalb verstärkt autonom und kämpfen an vorderster Front für den Aufbau einer basisdemokratischen, geschlechterbefreiten Gesellschaft.
Diese basisdemokratische Entwicklung im Norden Syriens kann zu einer Perspektive für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens werden. Auch deshalb wird sie momentan von den reaktionären Kräften massiv angegriffen, offen wie auch verdeckt.
Über die Situation in Syrien und Rojava
berichtet im TATORT-Kurdistan-Café
Luqman Turgut, Kurdologe an der Uni Erfurt
Mittwoch, 11.09.2013; 18:30 Uhr, [ab 18 Uhr Essen]
Centro Sociale, Sternstr. 2 [gegenüber U3 “Feldstraße”]