17.07.2011: Festnahmen kurdischer Aktivisten

Wir dokumentieren die Presseerklärung des Azadi e.V., Düsseldorf:
Zwei kurdische Aktivisten am Flughafen Düsseldorf festgenommen
BAW beschuldigt sie nach § 129b StGB

Am 17. Juli wurde der kurdische Aktivist Ridvan Ö. auf dem Düsseldorfer
Flughafen und tags darauf Mehmet A. in Freiburg festgenommen. Beide
befinden sich nach Eröffnung des Haftbefehls in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft beschuldigt sie der Mitgliedschaft in einer
„ausländischen terroristischen Vereinigung PKK“ (§§ 129a/129b StGB).
Ridvan Ö. soll die Jugendorganisation „Komalen Ciwan“ geleitet haben und
Mehmet A. als „hochrangiger Jugendkader in Deutschland und Frankreich“
tätig gewesen sein. Die Anwendung des § 129b StGB auf Kurdinnen und
Kurden ist ein Novum.
Im Oktober 2010 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) – als Folge
politischer Festlegungen – entschieden, dass auch gegen Angehörige der
kurdischen Bewegung – wie zuvor schon gegen mutmaßliche Mitglieder der
türkischen DHKP-C oder der tamilischen LTTE – künftig entsprechend
ermittelt werden kann.
Ermächtigungen hierzu muss jeweils das Bundesjustizministerium erteilen.
Während der türkische Staat nach dem erfolgreichen Abschneiden des
linken prokurdischen Unabhängigen Blocks aus Linken und der kurdischen
Friedens- und Demokratiepartei BDP bei den Parlamentswahlen am 12. Juni
sechs gewählten Abgeordneten das Mandat entzogen hat und legale
Strukturen der kurdischen Bewegung angegriffen wurden, sind aufgrund
heftiger militärischer Operationen des Militärs allein in den
vergangenen drei Monaten über vierzig kurdische FreiheitskämpferInnen
trotz Waffenstillstands umgebracht worden. Ministerpräsident Tayyip
Erdogan hatte bereits vor den Wahlen erklärt, dass für ihn die kurdische
Frage erledigt sei. Stattdessen setzt er auf Krieg.
Internationale Delegationen, die sich zur Wahlbeobachtung in den
kurdischen Gebieten aufgehalten hatten, berichteten kontinuierlich von
gravierenden Verstößen gegen türkisches und internationales Recht. So
wurde in Sirnak eine Handgranate in eine Menschenmenge geworfen, in der
sich auch der Bundestagsabgeordnete Harald Weinberg (Die Linke) befand.
Statt diese gefährliche Eskalation gegen die kurdische Bevölkerung,
deren Institutionen und Einrichtungen zu verurteilen, unterstützen
Bundesregierung und mithin die deutschen Strafverfolgungsbehörden das
Vorgehen des türkischen Staates. Während Außenminister Westerwelle
jüngst in Brüssel vollmundig das Verhalten der syrischen Regierung gegen
Demonstrierende und Oppositionelle verurteilte und es für inakzeptabel
erklärte, bleibt er bei den Angriffen gegen die Kurden stumm. Während
die Bundesregierung die libyschen „Rebellen“ und deren
Übergangsregierung in Bengasi mit 7,5 Millionen Euro für ihren Aufstand
belohnt, wird das militärische Vorgehen der türkischen Armee gegen die
um Freiheit, Demokratie und Autonomie kämpfenden Kurdinnen und Kurden
unterstützt, auch mit deutschen Waffen.
Diese Haltung findet sich in der Begründung der Bundesanwaltschaft (BAW)
wieder, die ihre Position den politischen Vorgaben der deutschen und
türkischen Regierung anpasst, um Kurdinnen und Kurden als Mitglieder in
einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ strafverfolgen zu
können. So behauptet sie, dass die PKK „einen staatenähnlichen Verbund
der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak“
anstrebe.
Das Bundesjustizministerium hat inzwischen eine zur Strafverfolgung nach
§ 129 b StGB erforderliche Einzelermächtigung erteilt und das erste
Verfahren, in diesem Fall gegen den kurdischen Politiker Vakuf M., wird
Ende August vor dem OLG Frankfurt/M. stattfinden.
AZADÎ verurteilt scharf die Politik der Bundesregierung, die für ihre
ureigensten ökonomischen Interessen und übergeordneten NATO-Strategien
zu den Verbrechen des türkischen Staates nicht nur schweigt, sondern
deren Vorgehen unterstützt.
AZADÎ e.V.
Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden
in Deutschland, Graf-Adolf-Str. 70A, 40210 Düsseldorf
20. Juli 2011 “