Redebeitrag Antigelöbnisdemo Berlin, 20.7.2012

Liebe Freundinnen und Freunde,
die Kampagne Tatort Kurdistan hat sich vor 3 Jahren gegründet, um über die Beteiligung der BRD am schmutzigen Krieg in Kurdistan zu informieren und dagegen zu mobilisieren. Ein Schwerpunkt bilden die Proteste gegen deutsche Rüstungslieferungen an die Türkei.
Anfang der 90iger Jahre, als der Krieg in Kurdistan auf dem Höhepunkt war, lieferte die damalige Regierung Kohl der Türkei Waffen aus Restbeständen der NVA. Darunter 300 Schützenpanzer des Typs BRT-60, tausende automatischer Gewehre und Millionen Schuss Munition. Deren Einsatz gegen die kurdische Bevölkerung wurde damals auch von den öffentlich rechtlichen Medien noch dokumentiert und im Bundestag kontrovers diskutiert.
Obwohl die Rüstungslieferungen weitergehen und Krieg und Unterdrückung in Kurdistan anhalten, wird darüber nicht mehr berichtet. Kontinuierliche Lieferungen von Leopard 2 Panzern der Firma Krauss-Maffai und Lizenznachbau des Sturmgewehrs G3 der Firma Heckler &Koch an den NATO-Partner sind kein Thema. Seit dem 9.11.2001scheint es einen politischen und medialen Konsens zu geben, dass im Kampf gegen angeblichen Terror alle Mittel erlaubt sind.
So konnten mehrere Menschenrechtsdelegationen in den letzten Jahren glaubhaft dokumentieren, dass die türkische Armee auch völkerrechtswidrig Giftgas gegen die kurdische Guerilla einsetzt. Aber auf eine entsprechende Strafanzeige von engagierten AnwältInnen bei der Bundesanwaltschaft gegen den verantwortlichen türkischen Ministerpräsident Erdogan passierte nichts. Erdogan genieße Immunität, hieß es.
Es ist dieselbe Bundesstaatsanwaltschaft, die seit Jahren die kurdische Opposition in Deutschland mit Strafverfahren überzieht. Seit zwei Jahren auch mit Anklagen nach §129b wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung.
Als Kampagne Tatort Kurdistan verurteilen wir auf schärfste das Vorgehen des türkischen Staats letztes Wochenende in der kurdischen Hauptstadt Diyarbakir. Eine von der kurdischen Partei BDP angemeldete Demonstration für den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan war vom Gouverneur verboten worden. Abdullah Öcalan, der seit 11 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft einsitzt, wird seit einem Jahr jeder Kontakt zur Außenwelt, auch zu AnwältInnen und Verwandten, verweigert. Die aus allen Städten im Umkreis zusammengezogenen Polizei- und Spezialkräfte reagierten auf die trotz des Verbots stattfindenden Kumdgebungen der Bevölkerung, indem sie Diyarbakir in ein Schlachtfeld verwandelten.
Mit Räumpanzern, Wasserwerfern und auch dem Einsatz von Schusswaffen versuchten sie, den Protest zu unterdrücken. Tausende verschossener Gasgranaten hüllten große Teile der Stadt über Stunden in eine Tränengaswolke. Kurdische Politikerinnen der BDP wurden gezielt mit Gasgranaten beschossen und mit Knüppeln zusammengeschlagen. Auch diese Art der Aufstandsbekämpfung beim NATO-Partner wird von den westlichen Staaten technisch-militärisch unterstützt und politisch gedeckt.
Syrien liegt zur Zeit im Fokus der westlichen und reaktionären arabischen Staaten, die unter dem Deckmantel der humanitären Intervention Brände löschen wollen, die sie zu mindestens zum Teil selbst legen. Daher ein Wort zur Situation in den dortigen kurdischen Gebieten. Die dort in großen Teilen der Bevölkerung verankerte kurdische Partei der Demokratischen Einheit (PYD) ist seit Monaten Verleumdungen in den deutschen Medien ausgesetzt. Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und taz lügen unisono, die der PKK nahestehende PYD und das Assad Regime würden in den kurdischen Gebieten zusammen arbeiten. Richtig ist: Die PYD ist bemüht, die kurdischen Gebiete aus dem von außen angezettelten Krieg heraus zu halten. Weder von der durch Saudi-Arabien und Katar finanzierten Freien Syrischen Armee noch vom Assad-Regime haben die KurdInnen Gutes zu erwarten. Mit der syrischen Opposition, die eine Intervention von außen ablehnt, arbeitet die PYD im innersyrischen Oppositionsbündnis NCC zusammen. Ziel dieses Bündnisses ist eine Ablösung des Assad-Regimes, die nicht in einen Bürgerkrieg oder einer vom Ausland abhängigen Marionettenregierung mündet. Kurdische Selbstverteidigungskräfte verwehren daher konsequent der Freien Syrischen Armee und islamistischen bewaffneten Gruppen den Zutritt zu den kurdischen Gebieten. Gemetzel an der Zivilbevölkerung wie in Homs und Hula sollen so verhindert werden. Damit zieht sich die PYD den Hass der Interventionsmächte und ihrer Medien zu.
Die PYD nutzt das bestehende Machtvakuum in Westkurdistan, um dort Autonomiestrukturen für die Zeit nach Assad zu etablieren. Dies ist vor allem der Türkei ein Dorn im Auge. Aufgrund der Unterdrückung der KurdInnen im eigenen Land fürchtete sie sich auch vor kurdischen Autonomiestrukturen in den Nachbarstaaten. Umso mehr bläst die Türkei z. Zt. ins Kriegshorn, um die von ihr politisch abhängigen syrischen Muslimbrüderschaften durch eine ausländische Militärintervention an die Macht zu putschen. Damit hätte sie auch die KurdInnen in Syrien wieder unter Kontrolle.
Die kurdische Bevölkerung hat bereits im gesamten Mittleren Osten einen hohen Blutzoll gegen despotische Unterdrückung bezahlt. Erinnert sei an das Massaker in Halabja von 1988. Das Giftgas, dessen Einsatz 5.000 Kurdinnen das Leben kostete, wurde von Deutschland geliefert.
Als Kampagne Tatort Kurdistan fordern wir:
Stopp von Waffenlieferungen an die Türkei!
Schluss mit der Aufstandsbekämpfung gegen die kurdische Bevölkerung!
Schluss mit der Strafverfolgung gegen die kurdische Opposition in Deutschland!
Schluss mit der Aufrüstung der Kriegsparteien und der Kriegstreiberei in Syrien!