Wir trauern um unsere Freundin Ellen

Ellen – ein Stern, der niemals untergeht
Mit großer Traurigkeit, aber auch Dankbarkeit, nehmen wir Abschied von Ellen Jaedicke, die am Freitag den 2. September nach einem langen Kampf gegen den Krebs in Hamburg gestorben ist. Ellen hatte die Kampagne „TATORT Kurdistan“ 2010 maßgeblich mit ins Leben gerufen und war dort über viele Jahre aktiv.
In engeren Kontakt mit der kurdischen Bewegung kam Ellen erstmals 2007, als sie mehrere Monate in einem Frauenprojekt in Amed (Diyarbakır) mitarbeitete. Nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich im „Kurdistan Solidaritätskomitee Berlin“ – zu einer Zeit, als es in der deutschen Linken noch stärkere Vorbehalte gegen die kurdische Befreiungsbewegung gab. Ellen, die in der Berliner Linken gut vernetzt und als aufrichtige und herzliche Person sehr geschätzt war, gelang es in vielen Gesprächen Brücken zu bauen, und Interesse für das neue Paradigma der kurdischen Befreiungsbewegung, den demokratischen Konförderalismus, zu wecken. Als in Kurdistan Planungen aufkamen, 2009 in Amed erstmalig ein Mesopotamisches Sozialforum durchzuführen, war Ellen sofort begeistert und beteiligte sich in Deutschland an den Vorbereitungen. Wichtig war ihr, vor allem junge Menschen aus Europa und Kurdistan miteinander ins Gespräch zu bringen. Daher war es maßgeblich auch ihre Idee, parallel zum offiziellen Sozialforum ein Camp zu organisieren, in dem es weniger um frontale Beiträge ging, als darum, in kleineren und größeren Gruppen direkt miteinander zu diskutieren. Das „Amed-Camp“ war dann auch ein voller Erfolg: Etwa 300 Menschen aus mehreren europäischen Ländern – vorwiegend aus antifaschistischen und antirassistischen Zusammenhängen – diskutierten vor allem mit VertreterInnen der kurdischen Jugend- und Frauenbewegung.
Da das „Amed-Camp“ großes Interesse an der kurdischen Befreiungsbewegung geweckt hatte, ging es im Anschluss an das Mesopotamische Sozialforum darum, einen Internationalismus zu entwickeln, der die deutsche Beteiligung am schmutzigen Krieg in Kurdistan in Form von Waffenlieferungen, aber auch durch mit dem PKK-Verbot verbundenen Repressionen vor Ort, thematisiert und dagegen interveniert. Bei einem Folgetreffen in Frankfurt wurde dann die Initiative „TATORT Kurdistan“ aus der Taufe gehoben mit den Schwerpunkten Rüstungsexporte, ökologische Zerstörungen in Kurdistan und Repression in Deutschland.
Im Rahmen von „TATORT Kurdistan“ engagierte sich Ellen sowohl bei bundesweiteten Koordinationstreffen als auch vor Ort in Berlin. Genauso wichtig, wie ihr inhaltliche Diskussionen waren, lag ihr auch die praktische Arbeit. Ob es darum ging, Veranstaltungen zum Weltfriedenstag zu organisieren oder Gelder für bundesweite TATORT-Kurdistan-Konferenzen zu akquirieren, Ellen jammerte nie über Stress, sondern stürzte sich mit Spaß in die Arbeit. Vor allem aber schaffte sie es, ihr Umfeld zu begeistern und mitzunehmen. Wenn sie bei Treffen dabei war, gab es eigentlich immer eine konstruktive Stimmung, die positive Ergebnisse hervorbrachte.
Viel Kraft für ihre politische Arbeit zog sie aus den zahlreichen Reisen nach und in Kurdistan. Schon bei ihrem ersten Aufenthalt hatte sie sich Sprachkenntnisse angeeignet, die ihr ermöglichten, mit den Menschen vor Ort direkt ins Gespräch zu kommen. 2011 besuchte sie mit anderen DelegationsteilnehmerInnen viele kurdische Städte und Orte, um Kooperativprojekte aufzusuchen. Ihr besonderes Interesse galt dabei den Fraueninitiativen – wie überhaupt die Geschlechterbefreiung als eine von drei Säulen der kurdischen Befreiungsbewegungsideologie für sie maßgeblich war. Aus den zahlreichen Interviews entstand dann die von „TATORT Kurdistan“ herausgegebene Broschüre „Demokratische Autonomie in Nordkurdistan“.
Im Mittelpunkt stand bei Ellen auch die Weiterentwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit. Eineinhalb Jahre lebte und arbeitete sie bei der Frauenbewegung in den Bergen Kurdistans, wo sie ihren kurdischen Namen Sterk, was im Deutschen Stern bedeutet, annahm.
Wieder in Deutschland arbeitet sie im kurdischen Frauenbüro für Frieden – Cenî und in der Frauenbegegnungsstätte Utamara, dann im Rojbin Frauenrat in Hamburg. An all diesen Orten, an denen sie aktiv war, knüpfte sie Kontakte und organisierte Beziehungen zwischen verschiedensten Initiativen, Organisationen und Menschen.
So wie sie ihre ganze Kraft für eine frauenbefreite, ökologische und basisdemokratische Welt einsetzte, so kämpfte sie auch gegen den Krebs, aufgeben war nicht ihre Sache.
Ellen war eine wirkliche Internationalistin und tief mit der kurdischen Revolution verbunden.
Wir werden sie für immer im Herzen behalten.
Freundinnen und Freunde der Kampagne TATORT Kurdistan
5. September 2016
ISKU: Ellen lebt im Kampf für eine frauenbefreite, ökologische und basisdemokratische Welt weiter