STOPPT DIE ABSCHIEBUNGEN VON ÊZÎDEN !

Aufruf zur Demo am 11.02.2017 um 12 Uhr Steintor, Hannover
Bleiberecht für die verfolgte Glaubensgemeinschaft der Êzîden!
Keine Abschiebung von Êzîden in den Tod!
Keine Abschiebung der Êzîden in die Hände des Islamischen Staates IS!
Schutz und Verteidigung der Êzîden ist eine Verantwortung und Verpflichtung der Menschlichkeit!
Seit einigen Wochen vermehren sich die Befürchtungen der erneuten Gefahr für Êzîden und zwar durch Abschiebungen und Verhaftungen aus und in Deutschland. Nach den Angriffen durch den IS suchten und suchen die Êzîden aus dem Irak und aus Syrien vor allem in Deutschland Zuflucht, da hier die meisten Êzîden leben, die auch in den letzten Jahrzehnten vor genau dieser Gefahr flüchten mussten.
Wir verurteilen die Absichten und das Vorhaben der Abschiebungen von Êzîden aus Deutschland heraus und fordern ein sofortiges Ende dieser Vorgehensweisen. Des Weiteren fordern wir ein Bleiberecht in Deutschland für unsere Glaubensgemeinschaft – die auch hier in Deutschland nur gute Absichten hat und auf der Grundlage des Grundgesetzes/der Verfassung und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der BRD leben möchte. Unsere Glaubensgemeinschaft fühlt sich aus vielen Gründen nur hier in Deutschland sicher und geschützt und kann langsam das Trauma der Ereignisse und Flucht verarbeiten.
Die Êzîden waren und sind die am stärksten betroffene Glaubensgemeinschaft durch den Krieg im Irak und Syrien – das Ziel: die Auslöschung durch den Islamischen Staates IS. Sie zu schützen und zu verteidigen ist ein Menschenrecht!
Unter anderem haben wir folgende Forderungen zum Schutz und zur Verteidigung der Glaubens- und Religionsgemeinschaften wie unter anderem Êzîden und Christen:
· Keine Abschiebungen von Êzîden und Christen! Freilassung aller Êzîden, welche sich in Abschiebungshaft befinden!
· Bleiberecht für alle Verfolgten Bevölkerungsgruppen sowie Glaubens- und Religionsgemeinschaften.
· Ein noch konsequenteres und gemeinsames Handeln gegen die Terrormiliz Islamischer Staat IS.
· Die Unterstützung Şengals sowie aller Regionen der Êzîden und Christen auf allen Ebenen, zur Prävention weiterer Angriffe und Massaker.
· Die internationale Anerkennung der Êzîden als eigenständige und unabhängige Glaubensgemeinschaft.
· Die internationale Anerkennung der kurdischen Sprache als eigenständige und unabhängige Sprache.
Zum Hintergrund:
Die Glaubensgemeinschaft der Êzîd*innen gehört zu den ältesten noch bestehenden Glaubensgemeinschaften der Welt. Der Großteil dieser Gemeinschaft lebt – bedauerlicherweise gegenwärtig in der Vergangenheitsform, „lebte“ – im Şengal-Gebiet (Nord-Irak) und in Rojava (Nord-Syrien). Über Jahrhunderte hinweg erlebten die Êzîden Verfolgung, Unterdrückung, Zwangskonvertierung/Zwangsislamisierung, Verleumdung, unzählige Massaker und Genozide. Seit der Staatsgründung des Iraks und Syriens – im Zuge der territorialen Verschiebungen nach dem 1. Weltkrieg – bis heute, hat man es versäumt der Stimme der Êzîden Gehör zu verleihen. So wurde der Status der Êzîden als Glaubensgemeinschaft bisher nicht anerkannt; weder durch den Irak und durch Syrien, noch durch die Vereinten Nationen. Ein Versäumnis, das bittere Konsequenzen nach sich zog und zieht.
Durch den Angriff des Islamischen Staat IS wurde die êzîdische Gemeinschaft in ihren Grundfesten erschüttert. Mord, Vergewaltigung, Enthauptung, Verschleppung von Frauen und Kindern, Zwangskonvertierung/Zwangsislamisierung, Zwangsverheiratung, Sklaverei sowie eine Massenflucht von Hunderttausenden von Êzîden aus ihrer Heimat brachte die Barbarei des Islamische Staat IS über die êzîdische Glaubensgemeinschaft. Ein Genozid im 21. Jahrhundert mit solch einer Brutalität ist ein Armutszeugnis für die Weltgemeinschaft, da dieser verhindert werden konnte. Seit dem Angriff des Islamischen Staats IS gegen die kurdische Glaubensgemeinschaft der Êzîden in Şengal/Sindschar am 3. August 2014 sind zweieinhalb Jahre vergangen. Innerhalb weniger Wochen wurden im August 2014 in der tausende Êzîd*innen auf grausame Weise hingerichtet, einzeln oder auch als öffentlicher Massenmord. Über 5000 Menschen mehrheitlich Frauen und Mädchen wurden vom IS verschleppt, vergewaltigt, als Sklavinnen benutzt oder wie Ware auf „Sklavinnenmärkten“ verkauft. Um diesem Schicksal zu entgehen und nicht in die Hände der IS zu geraten, wählten hunderte Frauen den Selbstmord.
Mehr als 50.000 Êzîd*innen flohen aufgrund der Angriffe in die angrenzenden Berge in denen viele von ihnen aufgrund von Erschöpfung, Wasser und Nahrungsmangel starben, insbesondere Kinder und Alte. Insgesamt wurden Hunderttausende Menschen zur Flucht gezwungen. Viele Êzîd*innen leben bis heute z.T. in Flüchtlingslagern in der Region, oder haben ohne Hoffnung auf ein Überleben im Mittleren Osten ihre Heimat verlassen und Asyl in Europa vor allem in Deutschland gesucht.
Der Angriff des IS auf Şengal, dem tausendjährigen Siedlungsgebiet der Êzîd*innen, war nicht nur eine humanitäre Katastrophe. Es war ein Angriff gegen die Êzîd*innen als Glaubensgemeinschaft, mit dem Ziel diese auszulöschen. Als Mittel dazu richtete sich der Angriff systematisch und auf eine besonders brutale Art und Weise gegen Frauen. Dieser genozidale Angriff, wird von den Êzîd*innen als der 74. Völkermord/Genozid bezeichnet.
Für die Êzîd*innen in Şengal besteht die Gefahr des Völkermords weiterhin fort. Neben dem physischen Völkermord nimmt die Gefahr des kulturellen Genozids immer stärker zu. Darüber hinaus mussten Êzîd*innen zusammen mit dem 74. Völkermord/Genozid bitter erkennen, dass sie ihre Existenz und Freiheit nur durch Selbstwillen, Selbstverwaltung und Selbstverteidigung schützen können. In diesem Zusammenhang sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren innerhalb der Êzîdischen Glaubensgemeinschaft in Şengal für die Stärkung und Organisierung des kollektiven Willens sowie die Beschützung der Êzîdischen Existenz wichtige Schritte unternommen worden. Frauen, denen vom IS allein eine Existenz als Sklavinnen anerkannt wurde, sind heute in diesem Prozess aktiv und führen diesen an.
*mögliche Schreibweisen: Şengal/Shengal/Sinjar
Ansprechpartner/Kontaktperson: Hamid Haidar, Lehrte – 0176-22511028 – hamid2015.hh.hh@gmail.com